Schuld macht einsam

Mit 32 Jahren war ich körperlich, seelisch und geistig ein Wrack.
Die Diagnose: alkoholabhängig.
Tief in meinem Innern wußte ich, dass ich große Schuld auf mich geladen hatte.

Die Geschichte

Es begann bereits im ersten Jahr unserer Ehe, Anfang 1975, als ich durch die Fehldiagnose eines Arztes ungewollt schwanger wurde und das Kind abtreiben ließ. Weil mein Mann damals noch studierte und ich berufstätig war, sahen wir keine andere Möglichkeit. Nach den ersten Wochen der Erleichterung holte mich jedoch mein Gewissen ein und Einsamkeit, Scham und Unzufrieden­heit machten sich breit. Mit Alkohol versuchte ich meine seelischen Konflikte und Schwierig­keiten zu lösen.

1981, einen Tag nach meinem 28. Geburtstag erlitt ich im 3. Monat eine Fehlgeburt und sah dies als gerechte Strafe für das getötete Kind. Zwei Jahre später wurde ich wieder schwanger und der Arzt stellte fest, dass es Zwillinge sind. Zu diesem Zeitpunkt steckte ich schon tief in meiner Abhängigkeit und unsere Ehe war dadurch sehr in Mitleidenschaft gezogen. Ich hatte auch Angst, dass die ungeborenen Kinder gelitten haben, aber der Arzt beruhigte mich und sagte mir, es sei alles in Ordnung. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich meinen Alkoholkonsum einschränken. Das erste Wunder geschah, meine beiden Kinder kamen gesund zur Welt und alles schien in bester Ordnung.

Doch meine Abhängigkeit lauerte und hatte mich einige Monate nach der Geburt der Kinder wieder voll im Griff. Ich war nicht mehr in der Lage, meine Kinder zu versorgen. Mein Mann, mit dem ich bis zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre meines Lebens verbracht hatte, ließ sich von mir scheiden. Er erhielt das Sorgerecht für unsere gerade 1 Jahr alten Kinder und das Nutzungsrecht unserer Wohnung.

Ich habe damals alles verloren, was mir für mein Leben wichtig erschien, meine Familie und mein Zuhause. Mein Schuldenkonto war ins Unermeßliche gestiegen, denn jetzt hatte ich auch noch eine zerstörte Ehe und Familie auf dem Gewissen. Die Trennung von meinen Kindern fiel mir unsagbar schwer. Einsam schrieb ich seitenweise Tagebücher.

Die Aufarbeitung

Durch meine katholische Erziehung war ich fest davon überzeugt, dass Gott mich aufgrund meiner schweren Verfehlungen verstoßen hatte und ich verloren war. Ich wollte nicht mehr leben und sah die einzige Erlösung im Tod.

Ich glaubte, dass meine Schuld vor Gott zu groß sei, als dass er sie vergeben könnte.

Nach dem 3. Selbstmordversuch wurde ich wieder in eine Klinik eingeliefert und dort geschah ein weiteres Wunder: Meine Versuche, Abschied von dieser Erde zur nehmen, waren gescheitert - also mußte Gott doch noch irgend etwas an mir liegen. Es kam mir der Gedanke: "Vielleicht hat er eine Aufgabe für mich und braucht mich noch!" Das gab mir eine unbeschreibliche Hoffnung und die Möglichkeit, weiter zu leben. Ich konnte mein Leben Jesus Christus übergeben und erfuhr durch ihn Vergebung und Befreiung von meiner Sucht. Das geschah im September 1985.

Seit diesem Zeitpunkt gehe ich den Weg mit der Hilfe des Herrn.

Mit 38 Jahren habe ich wieder geheiratet und habe ein gemütliches Zuhause. Durch die Führung des Herrn ist ein gutes Verhältnis zu meinem ersten Mann, seiner Frau und den Kindern entstanden. Meine beiden Kinder sind heute in der glücklichen Lage, zweimal Eltern zu haben, ebenso die beiden Kinder aus der zweiten Ehe meines geschiedenen Mannes.

Es ist mir fast unbegreiflich, wie Gott aus soviel Not und Leid noch etwas Gutes machen kann. Der Vers, Markus 10, 27, "denn bei Gott sind alle Dinge möglich", hat sich in meinem Leben bewahrheitet. Im Laufe der Zeit hat der Herr alle Wunden und Verletzungen meiner Seele geheilt. Durch ihn konnte ich mir auch selbst meine Verfehlungen vergeben.

Der Weg mit ihm ist manchmal schmal und steinig, aber ich gehe ihn gerne. Er ist abenteuerlich und sicher zugleich.